WaynaWarma
Pädagogisches Konzept
25. Januar 2018
Würdevolles Lernen Aprender con dignidad
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Dieser Satz der Menscherechtskonvention ist eine der Grundlagen für das WaynaWarma-Konzept. WaynaWarma heisst zunächst in Ketschua: Kinder und Jugendliche. Unser Projekt heisst WaynaWarma, da es sich aus Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen heraus entwickelt hat. Eigenständigkeit und Selbstorganisation sind wesentliche Säulen der Architektur von WaynaWarma. Bildung ist ein grundlegendes Instrument, sich diese Fertigkeiten zu erarbeiten. Bildung heisst auch sich selbst seine Würde zu bewusst zu werden und dann sie seiner Umgebung zuzugestehen.
WaynaWarma heisst, die Würde jedes Einzelnen zu bestätigen und daraus gemeinsam zu lernen und zu handeln. Zu WaynaWarma kommen sozialbenachteiligte Kinder und Frauen, die ihre Würde eingebüsst haben, oder nie kennengelernt haben. Sie finden hier Gelegenheit zu lernen und Unterstützung durch Menschen, ihrer eigenen Herkunft und Sprache.
Die Kinder und Jugendlichen kommen und bilden eine heterogene Altersgruppe sehr unterschiedlicher Entwicklungsstufen. Hier, wo Vertrauen fehlt und höchst unterschiedliche Erfahrungen gemacht wurden erweist sich ein traditionelles Unterrichtsschema als unbrauchbar.
Lernen mit dem Prägen und Stanzen nach Spranger und Makarenko zu verknüpfen ist unwürdige Verschwendung von Kraft und Möglichkeiten. Lernen als Erziehen im Sinne eines Ziehens und Streckens, Auswendiglernens und angeleiteten in Form Wachsens entspricht nicht einem selbständigen Menschen.
Kindern und Jugendlichen zunächst einen Ort und Menschen anbieten, zu denen sie Vertrauen entfalten können, ist die erste pädagogische Massnahme, die WaynaWarma ausmacht.
Ist die Schwelle übertreten, so kann der nächste Schritt einsetzen. Dies ist das Interessenfeld das eröffnet wird und zu dem sich die Jugendlichen hingezogen fühlen.
Dieses abwartende Tun braucht Zeit und ist gleichzeitig der wichtigste Abschnitt auf dem Weg zum Lernenden. Unser Gehirn lernt nur wenn es freudige Erfahrungen macht und niemals wenn es muss. Bestenfalls wird Bulimielernen daraus. Ein lernartiger Prozess, bei dem mühsam und unfroh auswendig gelernt wird bis zur nächsten Prüfung, bei der dann alles ausgespuckt
wird und zwar restlos. Zurück bleibt eine frustrierte und entwürdigte Person, für die Lernen Qual bedeutet, die es zu verhindern gilt.
Das zu verhindern und die Neugier zu wecken und die Lust am Lernen zu wecken, das ist dieses Wandern durch musikalisches, bildnerisches und handwerkliches Ausprobieren, das es als Lehrender mit Geduld und viel Zeit zu tragen gilt. In dieser Zeit, die wir auch als Periode der Sozialisation bezeichnen können geschieht der zweite grosse Lernabschnitt.
Das Angebot reicht von ungestörtem Spielen zu Fussbalspielen zu Schwimmen zu Musik hören bis zu Musik selbst versuchen. Malen, Zeichnen hin zu plastischen Arbeiten und handwerklichem Tun. Solange, bis plötzlich die Verbesserung nachgefragt wird. Manchmal bei Lernenden aus der Gruppe, manchmal bei Lehrenden.
Die bereits länger Anwesenden geben mit ihrem konstruktiven Verhalten ein Beispiel das nachgeahmt werden kann. So entsteht langsam ein Prozess, den wir als Sozialisation bezeichnen können. Jedoch ist dieser Prozess nicht durch vordefinierte Normen gesteuert, sondern erfolgt innerhalb der erlebten und vorhandenen Lebensbedingungen.
Dabei ist ein Augenmerk darauf zu richten dass importierte, europäische, asiatische und us-amerikanische Kulturimporte als solche erkannt werden, und heimische, kulturelle Errungenschaften gewürdigt werden.
Grundsatz ist in jedem Fall. dass die Würde der Menschen in dieser Phase des Ankommens bei WaynaWarma erkannt wird.
Aus dieser Phase des Anwärmens wächst die Phase der Aneignung von kognitiven Grundtechniken heraus.
Immer wieder ergeben sich Notwendigkeiten etwas zu messen im handwerklichen Bereich, oder etwas zu zählen im musikalischen Bereich, oder gar etwas zu lesen im bildnerischen Bereich. Dies sind die Momente, an denen eine Nachfrage zum Lesen, Schreiben und Rechnen als Bedürfnis und Wunsch entsteht.
So ergibt sich Lernen aus der Sozialisationsphase heraus und ist kein rhythmisiertes Einfüllen und prüfungsgebundenes Auslehren.
Ja diese Lernphase verbinden sie mit lieb gewonnenen, musischen oder handwerklichen Aktivitäten aus der ersten Zeit und verbessern damit ihre Ergebnisse. Ihre eigenen Potentiale zeigen sich ihnen selbst und ergeben die Grundlage für selbständiges Tun und Denken.
Es macht weiters keinen Sinn Altersverbände, oder gar Klassenverbände einzuführen, da die Lernenden zu unterschiedlich in ihrer Auffassung und ihren Voraussetzungen sind. Deshalb zeigt die grosse Gruppe das Abbild einer Bevölkerungsgruppe in der unterschiedliches gelernt und gelebt wird als ideales Labor.
Dieses Gesamterlebnis beinhaltet zeitweilig konstituierte Kleingruppen, die besondere Interessen verfolgen und andere neugierig machen.
Das Konzept wurde früher im alpinen Bereich in den Kleinstschulen sehr erfolgreich angewandt.
Aus dieser Phase heraus ist der Erwerb weiterer kognitiver Fertigkeiten ermöglicht. Erfahrungen und Wissen reichern sich an werden zu einem soliden Grundstock der Lebensbewältigung.
Darüber hinaus entwickeln die Lernenden immer mehr Bewusstsein und befreien sich Schritt für Schritt aus dem willkürlichen Geworfensein ihrer Situation.
Mit dem selbst erworbenen Wissen und der Bewusstheit erobern sie sich ihre Würde. Diese Form der Bildung ist der Inhalt der Bildungshäuser WaynaWarma von Cusco.
Die Frauen deren Potenziale, wegen ihrem Leben im Prekariat, nicht zum Tragen kommen finden bei WaynaWarma ebenfalls ihren Platz.
Sie können Fertigkeiten entdecken, die ihnen fremd sind. Wie im Bereich der Jugendlichen gilt es ein selbstbestimmtes Leben zu finden. Dazu ist WaynaWarma zunächst ein Ort der Ruhe und des unbelästigten Daseins. Anleitungen zum Nähen und Kochen geben ihnen Hilfe zur Altagsbewältigung. Die klassischen peruanischen Mützen und Pullover gaben warm konnten selbst hergestellt werden und sind billiger und brauchbarer als die Sythetikprodukte aus dem Import. Kleidung reparieren ist besser als ohne Geld modischen Unsinn zu erwerben. Auch hier wächst aus dem Zusammensein der Mut und die Fähigkeit zum würdevollen Leben.
Das pädagogische Konzept von WaynaWarma klingt sehr einfach und ist sehr knapp gehalten, ist aber anspruchsvoll für jene, die es vollziehen. Detailiertere Präzisierungen ergeben sich aus der Praxis der Lehrenden. Die Grundprämissen sind fest und bestimmen künftige Erweiterungen. So sind die Bildungshäuser keine herkömmliche Schule, sondern eine Hilfestellung zum selbstbestimmten und würdigenLernen.
Gert Gschwendtner